Facebooks Libra – kommt den Banken das Geschäftsmodell abhanden?

Juni 26, 2019 21:23

von Roman Krutyanskiy

Viele Bereiche der Wirtschaft befinden sich in einem enormen Umbruch. Zukunftsthemen, wie zum Beispiel die Automation, Robotik, Digitalisierung oder KI (Künstliche Intelligenz) durchdringen bereits viele Branchen. Seit ein paar Jahren gehen die Veränderungen, die vor allem Zukunftstechnologien mit sich brachten auch am Finanzsektor nicht spurlos vorbei. Viele Fintech-Unternehmen sind inzwischen auch für alteingesessene Kreditinstitute zu einer enormen Herausforderung herangewachsen. Im Niedrig-, Null- und Negativzinsumfeld sind die ökonomischen Rahmenbedingungen für eine Reihe von Markteilnehmern in der Finanzwirtschaft regelrecht tödlich. Hier kommt schnell Darwins Theorie auch im Wirtschaftsbereich zur Anwendung. Passen die jeweiligen Banken und weitere Finanzinstitute ihre Marktstrategie den veränderten Marktbedingungen nicht an, werden sie den Wandel nicht überleben.

Facebook ist nicht die alleinige Bedrohung in der globalen Bankenwelt

Amazon, Apple, Facebook, Google, Microsoft und auch PayPal sind wohl unstreitig Meister in den Bereichen Kommunikation, Werbung, Handel und Payment. Besonders im Bereich „Payment" wirbelte man die Finanzwelt kräftig durcheinander, denn diese Weltkonzerne bieten ihren Kunden und Nutzern bereits diverse Zahlungsmöglichkeiten an. Wer in Deutschland mit dem Smartphone Zahlungen vornehmen will, der kommt an Google Pay und Apple Pay ohnehin nur schwer vorbei. „Noch" funktioniert dies nur in Verbindung mit einer Kreditkarte einer Bank, die mit Google Pay und Apple Pay zusammenarbeitet. Auch an PayPal führt beinahe kein Weg vorbei – das zeigen allein rund 23 Millionen Nutzer in Deutschland.

Facebook ist schon länger „auch" ein Finanzdienstleistungsunternehmen

Mit Facebook ist in manchen Ländern (z.B. in den USA) schon eine Weile ein Geldtransfer via Facebook-Messenger oder auch mittels WhatsApp möglich. Schon 2016 bekam Facebook von der irischen Zentralbank eine Lizenz als Finanzdienstleister und ist seitdem offiziell berechtigt den Zahlungsverkehr abzuwickeln und eben auch so bezeichneten „E-Geld" zu emittieren. Gemäß des EU-Passport-Verfahrens bedeutet dies im Klartext, dass die regulatorischen Türen für die Facebook-Konzerntochter „Facebook Payments International Limited" für die gesamte EU28 geöffnet wurden. Die Berechtigung umfasst unter anderem auch die Ausführung von Gelddienstleistungen auf Telekommunikationsgeräten.

Warum könnte nun die Kryptowährung Libra für die Banken besonders gefährlich werden?

Die nicht hinwegzudenkende Gefahr für die Bankenwelt ist die enorme Massentauglichkeit, die sich allein aufgrund der über 2,4 Milliarden Nutzer von Facebook ergibt. Wenn nach Adam Riese allein nur jeder einhundertste Facebook-Anwender „Libra" künftig nutzen würde, so hätte Facebook mit 24 Millionen Libra-Teilnehmern aus dem Stehgreif schnell mehr „Kunden" als die Deutsche Bank und Commerzbank Girokonteninhaber aufweist. Allein dieses Zahlenspiel zeigt dramatisch, dass die Banken diesen neuen Wettbewerb verlieren könnten. Hohe Gebühren und zusätzliche Bankentgelte könnten als zusätzliche Beschleuniger dienen, um nach Alternativen zu herkömmlichen Bankhäusern zu suchen.


Die Datenkrake Facebook könnte mit „Libra" noch mehr Daten sammeln

Der Facebook-Konzern verdient prächtig mit Werbung und verkauft obendrein Kundendaten an werbetreibende Unternehmen. Ob nun Facebook, Instagram oder WhatsApp – je mehr die Nutzer die Websites oder mobilen Applikationen nutzen, desto mehr digitale Spuren bzw. Daten werden sie hinterlassen. Sollten sich die Nutzer untereinander dann noch Geld senden oder im Fall „Libra" alle möglichen Transaktionen durchführen, so würde der Facebook-Konzern nicht nur die Verweildauer auf seinen Websites enorm verlängern, sondern auch noch mehr und gezieltere Nutzerdaten verwerten können, um diese dann noch werbespezifischer und gewinnbringender einzusetzen.

„Libra" – globale Währung und zugleich eine neue Finanzinfrastruktur

„Libra" von Facebook hat den Anspruch eine globale Kryptowährung für Geldtransfers weltweit so einfach und zugleich günstig zu gestalten wie bei einer mobilen Textnachricht. Alles was der Nutzer benötigt ist ein Smartphone mit Internetverbindung. Mittels der digitalen Geldbörse namens „Calibra", die entweder im Facebook Messenger oder in WhatsApp eingebettet sein wird oder als unabhängige Applikation auf dem Smartphone installiert werden kann, können die Transaktionen dann vorgenommen werden. Die Geldtransfers sollen schnell, einfach zu handhaben und vor allem im Vergleich zu herkömmlichen Gebühren der Banken und weiteren Institute dieses Sektors günstig sein. Teilweise werden die Transfers sogar kostenlos sein. In einem weiteren Schritt wird „Libra" zur weit einsetzbaren herkömmlichen Währung mit einer hohen Preisstabilität und zusätzlich zu einer Plattform für Smart Contracts. Letzterer Schritt macht „Libra" sogar zu einer Finanzinfrastruktur. Facebooks Kryptowährung „Libra" basiert übrigens übrigens auf einer Distributed-Ledger-Technologie (DLT) namens „Libra-Blockchain".

Währungsreserve zieht die Aufmerksamkeit Zentralbanken und Aufsichten auf sich

Um „Libra" zusätzliche Stabilität zu verleihen, sollen Sicherheiten hinterlegt werden. Die Kryptowährung würde mittels einer Währungsreserve gestützt. Auf diese Weise erhielte „Libra" einen intrinsischen Wert. Die „Libra Association" im schweizerischen Genf soll das Libra-Netzwerk selbst und die Reserve steuern. Für jede neu geschaffene „Libra"-Einheit sollte ein Korb aus Bankguthaben, kurzfristigen Staatsanleihen und Reservewährungen existieren. Exakt dieser Punkt ist es jüngst, der die Zentralbanken und die Aufsichten auf den Plan ruft, denn durch diese Struktur würde das „System Libra" auch eine Gefahr für die gesamte Finanzmarktstabilität. Sollte „Libra" sich derart verbreiten, würde dies eine enorme Eindeckung mit Sicherheiten erfordern und Facebook vielleicht sogar irgendwann zu einem der größten Gläubiger von Staaten machen. Dies kann nicht im Sinne des Erfinders sein.

Geschäftsmodell Geldtransfer und internationale Anweisungen der Finanzinstitute gefährdet

Ein Beispiel von vielen wäre der reine Geldtransfer von zum Beispiel einer Privatperson aus Europa oder den USA zu einer Privatperson in einem mittel- oder südamerikanischen oder afrikanischen Land. Hier wäre der weltweit tätige US-Konzern Western Union zu nennen, dessen Umsatz zu rund 80 Prozent aus diesem Geschäftszweig stammt. Sollte „Libra" also tatsächlich zur Realität werden, so könnten Absicherungen bei der Aktie von Western Union als ratsam erachtet werden. Bei vielen weiteren Geldinstituten würden durch „Libra" die Margen weiter unter Druck geraten.

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