The Good, the bad and the ugly – Warum der steigende Ölpreis die Weltwirtschaft gefährdet.

Mai 09, 2019 18:29

von Roman Krutyanskiy

Im Streit um das Atomprogramm des Iran machen die USA nun ernst und weiten die Strafmaßnahmen gegen das Land am Persischen Golf aus. Seit dem 1. Mai müssen alle Länder mit Sanktionen rechnen, die Öl aus dem Iran importieren. Damit forciert die US-Regierung eine Krise auf dem Ölmarkt, der durch die politischen Unruhen in Venezuela, Libyen und Nigeria derzeit ohnehin in Aufruhr ist. Erste Experten prognostizieren schon Ölpreise von 100 US-Dollar pro Barrel zum Jahresende.

Noch zum Jahreswechsel kostete das Barrel Rohöl rund 54 Dollar. Jetzt, knapp fünf Monate später, muss man bereits rund 74 US-Dollar für die gleiche Menge bezahlen. Normalerweise zeugt ein steigender Rohölpreis aufgrund hoher Nachfrage von einer soliden Weltwirtschaft. Normalerweise! Denn die aktuellen geopolitischen Verwerfungen, wie die Sanktionen gegen den Iran oder die innerpolitischen Krisen der erdölproduzierenden Länder Venezuela, Libyen und Nigeria führen zu einer Verknappung des Angebots auf dem Weltmarkt und daher zwangsläufig zu steigenden Ölpreisen, wenn andere Ölproduzenten die Fördermengenausfälle nicht kompensieren.

Sanktionen! Aber nicht für alle...

Seit die USA im November 2018 ihre Sanktionen gegen den Iran wieder einführten, gewährten sie acht Nationen per Ausnahmegenehmigung, weiterhin Öl vom Iran zu kaufen. Noch im März importierten China, Indien, Japan und Südkorea täglich 1,6 Millionen Barrel aus dem Iran. Am 2. Mai liefen diese Ausnahmen aus und wurden durch die USA nicht verlängert. Experten gehen davon aus, dass die gesamten Ölexporte des Iran auf 600.000 Barrel pro Tag fallen werden. Unterm Strich verringern die amerikanischen Sanktionen die weltweite Ölversorgung also um rund 1 Million Barrel pro Tag.

Darüber hinaus drohte der iranische General Alireza Tangsiri, Kommandeur der Marine der Revolutionsgarden, mit der Schließung der Straße von Hormus, nachdem US-Präsident Donald Trump angekündigt hatte, dass alle Nationen sich jetzt an das Öl-Embargo gegen den Iran halten müssen. Die Straße von Hormus ist das wichtigste Nadelöhr für die Ölexporte nach Japan, Westeuropa und die USA. 40 Prozent des Weltölverbrauchs durchfahren sie täglich. Allein die Schließung über Wochen oder Tage würde zu erheblichen Verzögerungen und steigenden Ölpreisen führen. Deshalb schicken die USA den Flugzeugträger Abraham Lincoln in die Region.

Politische Instabilität der Lieferanten - Venezuela, Libyen, Algerien

Doch der Iran ist nicht der einzige Faktor, der den Ölpreis derzeit unter Druck setzt, denn zur gleichen Zeit gehen die USA gegen das Regime des venezolanischen Machthabers Nicolás Maduro vor, der sein Volk durch eine autoritäre sozialistische Politik in die Armut geführt hat. Die neulich in Kraft getretenen US-Sanktionen richten sich vor allem gegen das staatlich geführte Ölunternehmen Petroleos de Venezuela. Donald Trump möchte so das Maduro-Regime unter Druck setzen und finanziell austrocknen, um so die Opposition um Juan Guaidó zu unterstützen. Noch im Jahr 2008 produzierte Venezuela täglich mehr als 3 Millionen Barrel. Bis März 2019 war die Produktion auf 840.000 Barrel gefallen und sinkt in Folge einer maroden Infrastruktur und der Abwanderung von wichtigen Fachkräften weiter. Doch das amerikanische Engagement in Venezuela ist ein zweischneidiges Schwert, denn eigentlich brauchen die USA das Öl des achtgrößten Ölproduzenten der Welt, um im Ölkrieg gegen den Iran ausreichend Druck aufzubauen. Auf der anderen Seite hat Venezuela in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung verloren und steckt mitten in einem Regimewechsel, bei dem die USA den Herausforderer unterstützen. Ob dieser sich jedoch durchsetzen kann und wie die Situation sich in den kommenden Monaten und Jahren entwickeln wird, ist unklar. Darüber hinaus wird es lange Jahre brauchen, die heruntergewirtschaftete Ölindustrie des Landes wieder auf Vordermann zu bringen. All das spricht nicht dafür, dass Venezuela seine Produktion wird steigern können, um den Ausfall des iranischen Öls teilweise zu kompensieren.

Und auch andere Ölproduzenten wie Libyen oder Algerien in Nordafrika sind keine verlässlichen Quellen für den Weltmarkt. Der Bürgerkrieg in Libyen könnte sich jederzeit verschlimmern und zu weiteren Ausfällen in Höhe von 1 Million Barrel pro Tag führen. In Algerien steht die Wahl am 4. Juli 2019 bevor. Ursprünglich war sie bereits für Mitte April geplant, doch teils gewalttätige Proteste um die Kandidatur des 82-jährigen, regierenden Präsidenten Abd al-Aziz Bouteflika hatten zu einer zunächst unbestimmten Verschiebung des Wahltermins geführt. Erst nach dem Rücktritt Bouteflikas am 2. April 2019 wurde der neue Termin festgelegt. Nach 20 Jahren bahnt sich nun also ein Machtwechsel in Algerien an und es bleibt zu hoffen, dass dieser friedlich verlaufen wird. Doch sollte dies nicht der Fall sein, könnte es durchaus auch von dieser Seite zu weiteren Ölausfällen kommen.

OPEC an weniger Öl-Produktion interessiert

Hoffnung gibt eine Absprache zwischen Saudi-Arabien und den USA, in der das Land der Trump-Regierung bereits im Vorfeld der Sanktionen gegen den Iran zugesagt hatte, die Ausfälle auf dem Weltmarkt auszugleichen. Doch ob das tatsächlich in ausreichendem Maße funktionieren wird ist fraglich, denn eigentlich ist Saudi-Arabien auf einen höheren Ölpreis angewiesen, um seine Staatsausgaben zu decken. Ihnen kommt ein hoher Ölpreis also durchaus gelegen. Vor diesem Hintergrund hatte das Königreich erst vor einigen Monaten eine Deckelung der Fördermengen in der OPEC angestoßen und auch andere ölfördernde Länder ins Boot geholt, um so den Ölpreis zu stabilisieren. Demnächst sollen diese Länder wieder zusammenkommen, um über eine Verlängerung des Abkommens zu verhandeln. Saudi-Arabien, als Hauptinitiator der Drosselung, wird es nun schwer haben, seine Verhandlungspartner von einer Fortsetzung zu überzeugen, wenn es selbst seine Fördermenge steigert. Das könnte zu weiteren Unruhen auf dem Ölmarkt führen und Unsicherheit treibt die Preise erfahrungsgemäß hoch.

Experten stellen außerdem die Fähigkeit von Saudi-Arabien in Frage, die ausgefallenen Ölmengen überhaupt kompensieren zu können. Erst kürzlich legte der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco seine Bücher offen und dabei kam heraus, dass das Ghawar Ölfeld bereits stärker erschöpft ist als gedacht. Vor diesem Hintergrund könnte eine derart große Steigerung der Fördermenge sogar unmöglich sein. Selbst wenn nichts schief geht, muss man also im Zuge der Sanktionen mit einer deutlichen Verknappung des Öls und damit mit steigenden Preisen rechnen.

Fazit:

Der Iran nutzt alle Möglichkeiten, um die US-Sanktionen zu umgehen. So äußerte sich der stellvertretene Ölminister Amir Hossein Samaninia gegenüber der stattlichen Nachrichtenagentur Irna: "Wir haben alle Ressourcen des Landes mobilisiert und verkaufen Öl auf dem grauen Markt" um gleichzeitig zu ergänzen, „Das ist kein Schmuggel. So reagieren wir auf Sanktionen, die wir nicht als gerechtfertigt oder legitim ansehen." Was Samaninia darunter versteht, dass führte er allerdings nicht aus. Vorstellbar ist, dass der Iran sein Öl mit enormen Preisabschlägen anbietet und über private Firmen versucht zu verkaufen.

Ein weiteres Schlupfloch, welches der Iran für sich entdeckt hat, sind bargeldlose Tauschgeschäfte mit Erdöl. Diese fallen offenbar nicht unter die US-Sanktionen. Chinesische Unternehmen beispielsweise haben sich im Vorfeld schon auf die amerikanischen Zwangsmaßnahmen vorbereitet und sind im Iran Joint Ventures eingegangen, bei denen sie mit Öl bezahlt werden. Natürlich könnten die Iraner die für den weltweiten Öl-Handel so wichtige Straße von Hormus sperren. Doch die Amerikaner wollen nun offensichtlich ihren Sanktionen Nachdruck verleihen und haben mit dem Flugzeugträger Abraham Lincoln einen Kampfverband in den Persischen Golf entsandt.

Noch sieht die Internationale Energieagentur IEA den globalen Ölmarkt als ausreichend versorgt, und schließt kurzfristige Preissprünge nach oben eher aus. Nach unten ist der Ölpreis jedoch durch die Absprachen der OPEC-Mitglieder und Russlands zur Begrenzung der Fördermengen abgesichert. Auch wenn Russland mehr Öl fördern würde wollen, so glauben doch viele Experten, dass das Ende der Fahnenstange bereits erreicht ist. Der flächenmäßig größte Staat der Erde ist wohl nicht in der Lage seine Fördermenge auszuweiten. Das langsame Versiegen der Förderstätten in Westsibirien und im Ural-Wolga-Gebiet sowie fehlende Investitionen könnten Russland an sein Limit geführt haben, obwohl Schätzungen zufolge der Peak Oil erst 2021 erreicht wird. Die neulich durch Polen und Weißrussland gemeldeten Qualitätsmängel des russischen Öls tragen zur Entspannung der Lage auch nicht unbedingt bei.

Es darf daher bezweifelt werden, ob langfristig der globale Ölmarkt ausreichend versorgt bleibt. Ein Ölpreis von 100 US-Dollar pro Barrel ist also durchaus realistisch und denkbar.

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